Kanufahrt und Wildniswanderung in Schweden

Anreise

Verschiedene Gründe bringen mich dazu diesen Sommer erstmalig als Betreuer einer Fahrt bei einem Verein mitzuarbeiten. Es ist eine spannende Sache, weil so vieles anders ist als auf meinen Touren. Es sind 15 Jugendliche dabei, durch Anmeldung - also ohne Besuch, die Fahrt dauert nur zwei Wochen, es gibt einen Fahrtleiter - Peter Singer, der hat alles vorbereitet - und zwei Betreuer, Sören Krey und mich. Auch die Regeln werden erst einmal von ihm bzw. allgemein vom Verein aufgestellt. Andersherum wird natürlich auch mit Spannung beobachtet, wie sich denn so ein Einzelkämpfer in der Teamarbeit gibt. Peter ist glücklicherweise klar, daß ich Erfahrung im Wandern und Wald mitbringe, so daß ich von der verbindlichen Ausrüstungsliste befreit bin - da ich ja keinen Hüftgurt benutzen kann, liegt mir das Rucksackgewicht sehr am Herzen - bzw. auf den Schultern.


von links nach rechtsr: Arthur, Andi, Elfriede, Heinrich, Ann-Cathrin, Ivan, Sabine, Hannes, Sören, Aaron, Christoph, Bastiam Martin, Johannes,Verena, Niko, Manu, Peter

Am Hamburger Bahnhof treffen die Süddeutschen mit den drei Berlinern und den zwei Hamburgern (einer bin ich) zusammen, um gemeinsam nach Mittelschweden zu fahren. So ist es geplant, aber Hannes aus Berlin erscheint nicht am Treffpunkt und sein Freund Basti will nicht allein mitfahren, so daß gleich zwei fehlen. Im Zug zeigt der Blick auf die Teilnehmerliste, daß die beiden erst 14 sind. Also steige ich nach telefonischem Kontakt mit den Eltern in Oldenburg wieder aus, um mit den beiden am nächsten Tag hinterher zu fahren. Das Treffen klappt dann ohne Probleme und wir drei haben das "Pech", daß es im Nachtzug nach Stockholm nur noch freie Plätze im Liegewagen gibt. Am späten Nachmittag des 6. kommen wir dann, zuletzt mit dem Bus fahrend, in Valsöbyn, kurz vor der norwegischen Grenze, nördlich von Trondheim, an.

Peter und ein paar Jugendliche begrüßen uns so entspannt, wie ihr Tag bei strahlendem Sonnenschein verlaufen ist. Die Kohte (großes Pfadfinderzelt) steht bereits und kurz darauf fahren wir mit den Kanus zu einem nahegelegenen Wasserfall, um unser Abendessen zu kochen. Später wird noch gesungen. Die Lieder sind nicht ganz einfach und von einigen innig geliebt, während andere mehr oder weniger damit anfangen können. Ich brauche einige Tage, bevor ich sie lieben lerne. Jede Fahrt ist halt geprägt durch den Fahrtleiter, hier gibt es Morgen- und Abendrunde mit Gitarre und Gesang - nicht aufgesetzt, weil es dazugehört, sondern mit Engagement und Können!

Kanufahrt

Die Sonne lacht auch am folgenden Morgen und da zum Wochenende schlechtes Wetter zu erwarten ist, wollen wir am ersten Tag schon eine gute Strecke fahren. Wir Betreuer verteilen uns auf drei Kanus und auf vorne, Mitte und hinten. Ich habe vorne gewählt und unterhalte mich gut mit Verena; wir werden allerdings am Vormittag durch ein paar Kanus voll ungeduldiger und kraftstrotzender Jungs gefordert, die sich austoben müssen. "Merkwürdigerweise" legt sich das bereits am Nachmittag und tritt in der Form nicht mehr auf. Die 2 km lange Portage legen wir gut zurück und vor dem Weiterpaddeln blieb Zeit fürs Baden.

Dafür kommen wir erst am späten Nachmittag an unserem Lagerplatz an. Alle sind sehr hungrig, aber Feuerholz sammeln, Feuer machen, Lebensmittel vorbereiten und kochen brauchen ihre Zeit, besonders bei einem 14 l Herdentopf. Dafür schmeckt es auch hervorragend. Die Gegend dort oben ist empfehlenswert für Leute, die nicht bis nach Lappland wollen, andrerseits praktisch unbewohnte Seen bevorzugen. Glücklicherweise gibt es sogar ganz vereinzelte Ferienhäuser, denn dort ist der Boden flach und teils gerodet, so daß es nach Jedermannsrecht gute Schlafplätze gibt. Das gilt natürlich nur, wenn niemand da ist.


Morgenstimmung

Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne und ich bin der Meinung, wir müßten dieses Geschenk ähnlich nutzen wie guten Rückenwind bei einer Radtour. Wir kommen gut voran, aber es gibt auch einzelne, die sich schon aufs Wandern freuen. Diesmal will ich es schlau anstellen und wähle für den Nachmittag den Staubsaugerdienst - also hinten, aber da habe ich meinen Begleiter für diesen Tag falsch eingeschätzt. Er ist dann der Meinung, daß ich kräftig genug für die Geschwindigkeit bin, erst recht, als wir unser Kanu mit dem von Basti und Hannes verbinden ("Es reicht doch wirklich, wenn 3 paddeln!") Macht aber trotzdem viel Spaß.

An dieser Stelle möchte ich kurz bemerken, daß ich mich eher bemühe wenig Namen zu nennen. Das hat mit der Privatsphäre zu tun, aber auch mit der Ausgeglichenheit. Bei so vielen kann es mir nicht gelingen, also versuche ich es gar nicht. Und wenn ich dann Hannes und Basti hiermit zum dritten Mal erwähne, den Paddelkönig aber nicht, dann mag das verstanden werden oder nicht - mir geht es bei dieser Bemerkung auch an alle Jugendlichen der Fahrt: wenn ihr das lest, dann habt ihr hoffentlich auch ein Lächeln im Herzen im Rückblick auf unsere gemeinsame Fahrt.

Am dritten und letzten Kanutag gibt es noch eine anstrengende Portage einen engen Pfad hinunter. Dafür werden wir dann mit Wildwasser belohnt. Na ja, für richtige Paddler wäre das nicht erwähnenswert gewesen, aber wir sind keine Profis mit unseren Kanadiern und auch bei flachem Wasser kann man aufsetzen und das Boot dreht sich und das kleine "p" steigt in die Augen. Passiert aber nur Peter mit Sabine. Sie hat sich am Vortag beim Baden einen Schnitt zugezogen, trotz Teva- Sandalen - für so etwas gibt es jetzt glücklicherweise die Salomon-Amphibienschuhe! Egal, die beiden wollen noch zum Arzt und deshalb kommt Elfriede in mein Kanu, damit wir den gemütlichen Schluß bilden. Es ist einer der witzigsten Momente, als die "Schnellfahrer" in erneuen Stromschnellen stecken bleiben und immer weiter zurückfallen. Alle sind durch und die 2 finden immer noch eine neue Stelle, an der sie stecken bleiben können. Tim und Ivan nehmen dann das leere Kanu mit zur Anlegestelle und sind damit noch schneller als vorher.


Ivan und Heinrich

Das Essen

Damit haben wir in 3 Tagen die 75 km geschafft und alle freuen sich aufs Wandern. Der Transport wird natürlich noch trickreicher, denn neben der Kohte müssen verschiedene Zelte und die Lebensmittel für 5 Tage getragen werden. Auf unseren ersten Wandertag freue ich mich nicht gerade, denn Peter hat den anderen schon im Zug verraten, daß ich Geburtstag haben werde. Meinen Wunsch, diesen zu verheimlichen, kann ich damit vergessen. Peter hat aber die geniale Idee den Geburtstag durch besonders gutes und reichhaltiges Essen zu feiern. Dazu wünsche ich mir dann noch wieder mit "Greensleaves", gespielt von Peter auf seiner Blockflöte, geweckt zu werden. Er weckt morgens immer mit Gitarren- oder Blockflötenmusik und dieses Lied hat es mir angetan, unglaublich, mit einem solchen Glücksgefühl aufzuwachen.

Es wird Zeit genauer aufs Essen einzugehen. Morgens gibt es Müsli oder Haferbrei oder Griesbrei, mittags die berühmt-berüchtigte "Nora". Nora steht für Notration, dabei ist es eine sehr leckere Mischung aus Haferflocken, Rosinen, Kokusflocken, Fett und Zucker, vorher in mühseliger Arbeit in der Pfanne gebraten und abgepackt (allerdings schon schwierig, wenn man wie Niko keine Rosinen mag...). Abends kochen wir richtig. Auch hier sind die Lebensmittel vorgegeben, es wird jeder satt, aber nicht bis zum Umfallen und es wird möglichst gerecht ausgeteilt. Drei Mahlzeiten bei großer körperlicher Anstrengung sind ausreichend, aber teils sehr gewöhnungsbedürftig. Für eine kurze Zeit ist es eigentlich kein Problem. Interessant ist auch, dass anfängliche Schwierigkeiten durchaus überwunden wurden, aber nicht von allen. Auf meinen Touren gibt es ja immer reichlich zu essen - drei Monate sind sonst auch ein bißchen arg lang - aber die Vielfalt der Küche bei einfachen Verhältnissen hat mich beeindruckt und zur privaten Fortbildung animiert.

Vor dem Beginn der Wanderung müssen wir noch ein paar Lebensmittel im 2 km entfernt gelegenen Föllinge einkaufen. Zwei Drittel der Jugendlichen begleitet Peter, Sören und mich - den Ort wollen wir uns auch nicht entgehen lassen - und sitzt nach dem Einkauf im Supermarkt zufrieden schmausend in der Sonne. Ja, wieder Sonne! Zur Feier des Tages wird auf einer kleinen Insel im Bach schon zu Mittag gekocht. Es ist ein Schlemmen, mehr Eintopf als Suppe, mit Kartoffeln, Gemüse und vor allem reichlich Fleischklößchen.

Die Wanderung

Diese kräftige Mittagsmahlzeit nützen wir für zügige 15 km wandern am Nachmittag. Auf den breiten, forstwirtschaftlichen Waldwegen kommt man sehr gut voran, aber dafür verdienen sie auch die Bezeichnung "Waldautobahnen". Wir wollen ja in die Wildnis und entschließen uns am nächsten Tag querfeldein zu marschieren. Vorneweg Peter mit Kompaß und großer Anspannung, schließlich ist es gar nicht so einfach den Kurs zu halten, wenn es im sanften Auf und Ab durch locker bewaldete Flächen geht. Glücklicherweise sind die Sümpfe ziemlich trocken, so daß wir sie selten umgehen müssen. Trotzdem stellt sich irgendwann die Frage, wo wir genau sind und als wir letztendlich wieder auf eine Waldautobahn stoßen, dauert es noch ein wenig, bis wir anhand eines Hauses am Fluß unseren genauen Standort bestimmen können.


Sören

Die Wildniswanderung ist aber so schön, daß wir am nächsten Tag weiter Wildnis und wenige Kilometer wählen. Diesmal geht Sören voran, während Peter und ich den Schluß bilden und uns lange unterhalten können. Es geht meist an einem Bach entlang und nach einiger Zeit gibt Sören die Führung an .??wer wars, bitte melden??.......ab. Vorne kann man üben, wie man einen guten Weg findet, mit dem Druck der Gruppe hinter sich. Für mich dagegen ist es halber Urlaub. Normalerweise trage ich die ganze Verantwortung, einschließlich der Erziehungsberechtigung, diesmal sind sehr fähige Erwachsene dabei und ich kann mich auf unterstützende Aufgaben konzentrieren.

An dieser Stelle möchte ich einfügen, daß die anfänglichen Bedenken/Unsicherheiten schon lange verschwunden sind. Es hat nur etwas Abspüren und Nachfragen gebraucht, bis klar ist, daß wir eine sehr ähnliche Art im Umgang mit Jugendlichen haben. Jeden Abend gibt es eine Betreuerbesprechung, mit Rückblick auf den vergangenen Tag und der Planung des nächsten. Peter ist auch keineswegs der "Alleinherrscher", sondern sehr offen für Beobachtungen und Vorschläge von Sören und mir, so daß alle wichtigen Entscheidungen im Konsens getroffen werden. Peter hat auch gleich zu Anfang auf meine Fahrten hingewiesen, so daß viele Fragen von den Jugendlichen kommen. Sören hält sich meist im Hintergrund, bei Bedarf bereit die Führung zu übernehmen, konzentriert sich aber auf viele unauffällige, wichtige "Zuarbeiten", so daß wir uns am Ende der Fahrt bei einem gemeinsamen Essen (auf Einladung von Peter) begeistert berichten können, wie wunderbar die Zusammenarbeit war!!!

Mittags haben wir eine gute Stelle am Bach gefunden, wo wir Brot backen können. Der Teig kommt in Koschis (Kochgeschirr, Marke Bundeswehr) und aus den 6 Koschis kommen 6 herrliche Brote! Essen dürfen wir sie leider noch nicht, weil sie für das Abendessen bestimmt sind - für alle ein kulinarischer Höhepunkt.

Am Nachmittag geht es wieder einen Bach entlang und Manu belädt seinen Rucksack mit einer wunderschönen Elchschaufel. Wolken ziehen auf und einige schwärmen aus, um einen guten Lagerplatz zu finden, während andere kochen. Nach dem Essen ziehen wir um, an eine schöne Stelle am Logan gelegen, einem Fluß, den wir noch überqueren müssen. Das Wetter in den nächsten 24 Stunden ist so, wie ich es als normal erwartet habe: Wolken und Regen. Ein Ruhetag kommt uns aber auch gerade richtig, denn manche Füße brauchen Ruhe und Pflege, Löffel wollen geschnitzt werden und ich möchte das Brot backen lernen.

Am Morgen regnet es und wir brauchen mehr Holz. Wir haben zwei Feuer, in der Kohte und in einem Windschutz, damit wir nicht zu sehr aufeinander hängen müssen. Schon ab Mittag klart es langsam auf und am Nachmittag ist das Brot backen dran. Es macht viel Freude, besonders bei so guter Anleitung.


Andi

Später suchen wir nach einer Furt im 40 bis 60 Meter breiten Fluß. Ohne Wanderstab ist es kaum zu schaffen und wir probieren einige Stellen, bis wir eine finden, die für alle zu schaffen ist. Die Flußüberquerung ist sicherlich ein weiterer Höhepunkt der Fahrt. Die Rutschfestigkeit in den Sandalen wird durch das Tragen von Socken entscheidend erhöht, dann geht es los mit Badehose und hoch sitzendem Rucksack. Respekt vor der Kraft des Flusses haben alle, hin und wieder sieht man auch etwas mehr in den Augen erscheinen, aber es fällt nicht einer ins Wasser und auch die gesamte Ausrüstung bleibt trocken - gar nicht so einfach, wenn man z. B. auch eine Gitarre trägt und trotzdem Fotos machen möchte.

Anschließend überqueren wir ein "Raubrittergebiet". Es ist erschreckend, wie der Wald "geerntet" wird. Alles ist zerstört und aufgerissen. Damit haben wir die richtige Wildnis hinter uns gelassen und bald bestimmen Waldautobahnen den Weg. Ein letztes Mal bauen wir unser Nachtlager unter freiem Himmel auf. Christoph gelingt strahlend ein großer Fang und er teilt den Hecht mit uns allen! Eine Angelkarte hatten wir für die erste Woche, aber keiner hat geangelt. Jetzt haben wir keine mehr, fühlen uns aber nicht schlecht dabei - die Karten sind teuer.

Zurück in der Zivilisation

Über weitere Waldautobahnen und letztendlich Straßen gelangen wir nach Krokom. Die Sonne ist uns schon wieder den zweiten Tag treu und die 7 Stunden Wartezeit auf den Zug verbringen wir hauptsächlich auf der Bahnhofswiese. Es gibt ein paar, die sich nichts sehnlicher gewünscht haben, als endlich wieder über Freiheit in Bezug auf Essen zu verfügen: ich esse was ich möchte wann ich möchte soviel ich möchte. Hier gibt es einen Supermarkt und 3 oder 4 bitten Peter um Magentropfen, weil sie so lange gegessen haben, bis ihnen schlecht ist. Ich kann das verstehen, halte aber die gemachte Erfahrung besonders für diese Jugendlichen am wichtigsten. Essen ist etwas Elementares, dass aber oft nicht mehr so wahrgenommen wird. Bei dem Angebot von Dönerbuden, Kiosken und Kühlschrank ist es auch schwer.

Die letzten Tage sind schnell erzählt, weil wir nachts Zug fahren und tagsüber das Carl-Larson-Haus (verstorbener Maler), Stockholm und Kopenhagen ansehen. In Kopenhagen versuchen wir uns zu acht als Straßenmusikanten und setzten das verdiente Geld in Eis um - bei meiner musikalischen und gesanglichen Ausbildung wohl leider ein einmaliges Erlebnis (es geht mir nicht um das Eis!). Anschließend fahren die Berliner in eine Richtung die "Hamburger" in die andere und die Süddeutschen verabschieden alle. Ab Putgarden bin ich dann allein, Tim verabschiedet sich in Feldmesspraktikum.

Die letzten zwei Stunden verbringe ich mit einem Rückblick und Trauer. Trauer, weil die Fahrt zu Ende ist. Zwei Wochen sind eine sehr kurze Zeit und bei 15 Jugendlichen bleibt nicht viel Zeit - natürlich immer verglichen mit meinen Fahrten. Wir sind uns trotzdem viel näher gekommen und es ist schade, dass das schon wieder vorbei ist. Schließlich kenne ich das Potential langer Reisen und kann mir eine ganze Reihe der Jugendlichen auf einer dreimonatigen Wanderung oder Radtour vorstellen. Aber es war ein zweiwöchige Fahrt und wir hatten absolutes Glück mit dem sonnigen Wetter (und durch den trockenen Sommer nur sehr wenig Mücken!!!) und der Betreuerzusammenarbeit.


Peter

Nächsten Sommer geht es zum Trekken (oder wandern) in die Pyrenäen, 10 Jugendliche, Peter als Fahrtleiter und ich. Hoffentlich sind ein paar wieder dabei - falls sie nicht eigene Fahrten unternehmen. Also an alle, Herzlichen Dank!!!

Fotos: Peter Singer, dafür nochmals ein dankbares Lächeln!

sHome | Intro | Artikel | Berichte | Fotos | News | Kontakt