Challenge Ride
Die Fahrt von Fort Wingate nach Grants wird teils vom Winde verweht. Für die letzten 30 km brauchen die Jungs und ich fast 2 ½ Stunden - die Mädchen am nächsten Tag für die gesamten 90 km nur 3 ½! Einmal haben wir aufgrund von Sandverwehungen nur eine Sichtweite von 50m.

Eddie Scott hat einen Freund vom Radiosender gefragt, ob er eine Unterkunft für uns in Grants weiß. Der Freund rief Fred an, Stadtrat und UPS-Fahrer, der Bob, den City Manager kontaktierte, dessen Bruder der Rektor der Grants High School ist, so dass wir dort in der Sporthalle übernachten dürfen. Gary gibt uns einen kleinen Generalschlüssel, legt Basketbälle raus, zeigt die Lehrerduschen und Waschmaschine im Nachbargebäude, macht mir einen Computer zugänglich, leiht uns Videos aus und lädt mich zum Softballspiel (wie Baseball, aber der Ball ist etwas größer und der Anwurf wird von unten ausgeführt) des Mädchenteams ein. Ach ja, wir dürfen "natürlich" auch zwei Nächte dort bleiben.
Die Jungs haben für den Tag eine besondere Aufgabe. Sie sind körperlich kräftiger und würden oft noch gern etwas weiter gefahren, wenn die Mädchen noch könnten. Also müssen die Jungs auch mal ihre Herausforderung haben und zudem das Gefühl kennen lernen, am nächsten Tag keine Lust auf Fahrrad fahren zu haben. Für die Fahrt ohne Gepäck, Windschattenfahren, aber bei wechselnden Windverhältnissen, habe ich einen Rundkurs von 200 km rausgesucht. Simon war das zu wenig - seine Mutter hat mal gesagt, dass er 100 Euro bekommt, wenn er an einem Tag 300 km fährt. Korbinian findet die Idee auch klasse, Janosch nöhlt sowieso, dass er lieber wandern würde. Es gibt auch einen Rundkurs von 300 km und die Jungs stehen morgens um 5 Uhr auf. Ihre Verpflegung besteht aus Obst, Riegeln, trocken Brot und 2 kg Erdnussbutter!

Die Mädchen kommen sehr entspannt und vergnügt an und haben noch einen schönen Tag im Internat von Fort Wingate gehabt. Wir sehen uns gleich den Film "Skinwalker" - nach einem Roman von Tony Hillerman - an, während Waschmaschine und Trockner ihre Arbeit verrichten. Abends soll es groß Pizza geben, die Jungs haben es sich richtig verdient, die Mädchen nichts dagegen. Um 22 Uhr kommen unsere Helden zurück, Simon leicht humpelnd, weil er direkt vor der Schule noch über den Lenker abgestiegen ist. Auf zu Pizza Hut - geschlossen, weil der Ofen kaputt ist. Da hilft nur ein Dennys 24h Restaurant, der Nachtmanager witzigerweise ein Deutscher. Wir schlagen uns die Mägen voll und die Jungs berichten. Der Gegenwind war sehr heftig und nach 8 Stunden hatten sie erst 100 km geschafft. Damit lagen die 300 außer ihrer Reichweite und sie sind umgedreht - nach einiger Zeit entschloss sich der Wind ebenso dazu! Respekt vor der Leistung, und auch vor dem Versuch, einen ganz neuen Rekord aufzustellen.

Der nächste Tag zeichnet sich durch einen Spätstart aus: 14 Uhr! Nach Sonnenuntergang schauen wir "in the middle of nowhere" nach einer Unterkunft und finden tatsächlich eine. Die Leute sind recht überrascht, denn dort klopfen sonst nie Fremde an die Tür. Aber im Garten (mehr Sand als alles andere) schlafen ist überhaupt kein Problem, am nächsten Morgen gibt es sogar Frühstück und die Möglichkeit zum Duschen. Ja, es ist kaum zu glauben, aber seit der ersten heißen Dusche in Window Rock haben wir täglich die Gelegenheit dazu. Nicht, dass wir alle täglich duschen, aber so jeden zweiten Tag ist schon sehr nett.

Kaum habe ich Janosch erzählt, dass ich auf der Gastfreundschaftsfahrt drei von Autos überfahrene Schlangen gehäutet habe, schon findet er eine und macht sich an die Arbeit. Diesmal gibt es noch den Vorteil, dass Stephen Bodio, der Naturschriftsteller, sich damit bestimmt gut auskennt und noch ein paar Tipps geben kann. Inzwischen ist die Haut praktisch trocken. Gestern hat es unglaublich viel Wind gehabt und er wollte sie tagsüber gern ins Haus nehmen - unsere Unterkunft, mehr dazu später. Die Schüler waren zu Besuch in der Oberstufe der Alamo Band Navajo Indian Reservation, sprachen sich aber trotzdem energisch dagegen aus, weil die Haut angeblich weiterhin zu sehr stinkt. Ich war dann nur kurz in der Schule und habe auf dem Rückweg auch eine überfahrene Schlange gefunden. Häuten und zum Trocknen vorbereiten gingen gut und während ich Janoschs Haut wieder nach draußen getragen habe, liegt meine seitdem versteckt im Haus - keiner weiß es, keiner riecht es, also gibt es auch keine Beschwerden…

Ab Los Lunas geht es dann im Rio Grande Tal weiter, Temperaturen endlich heiß. Tamy, eine Puppenspielerin spricht uns an, wir sollen uns unbedingt den kleinen Flugplatz ansehen. Dann stellt sie einen Kontakt zu Gene her. Er war 20 Jahre bei der Air Force als Rettungspilot, längere Zeit auch in Ramstein stationiert und verdient sich heute sein Geld als Pilot und mit der Renovierung alter Flugzeuge. Er hat gerade eine Beechcraft Bonanza da - der Rolls Royce unter den einmotorigen Maschinen - und muss noch ein kleines Ölleck beseitigen. Anschließend ist er bereit jeweils zwei von uns auf kurze Flüge mitzunehmen. Alle sind begeistert, selbst Dorit mit ihrer großen Flugangst. Außerdem ist ihr schlecht und sie muss trampen, aber sie steigt strahlend ein und aus, um anschließend mit dem Daumen auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Der Flug war total klasse und hat mich an meinen Wunsch erinnert, mir zum nächsten Geburtstag eine Mitfluggelegenheit in einem Segelflieger zu wünschen. Gene hat natürlich ganz andere politische Ansichten, was besonders bei einer kurzen Diskussion mit Gloria klar wird, aber wie immer auf dieser Fahrt, die politischen Ansichten bestimmen nicht die menschliche Begegnung.

Abends finden wir dann einen Sandplatz in Bernardo. Plötzlich wimmelt es nur von Mücken und fast alle nehmen sehr gerne das Angebot, im Wohnzimmer auf dem Boden zu schlafen, an. Der Hausherr ist nicht da, aber auf der Toilette finde ich ein Air Force Magazin, verschickt an einen Leutnant Colonel…..

Damit bleiben nur noch 90 km nach Magdalena, gespickt mit einem Anstieg von 600 Höhenmetern. Aufgrund von Missverständnissen sind die Mädchen davon ausgegangen, dass der anstrengende Teil der Strecke getrampt werden darf, weil er nicht auf der Route nach Chicago liegt und als Abstecher angesehen werden kann (diese Möglichkeit hatte ich für den Fall vorgesehen, dass der Wind die Fahrt zu einer Tortur machen würde). Aber okay, gemäß dem Ausspruch eines Mädchens, "es ist doch besser, wenn wir fahren, weil wir es wollen, nicht, weil wir es müssen", habe ich die Fahrt als Wahlmöglichkeit freigegeben. Leider werde ich dann unangenehm überrascht, weil alle Mädchen es noch nicht einmal versuchen wollen. Na ja, gesagt ist gesagt, also sind sie winkend an uns vorbeigefahren und haben einige Stunden vor dem Supermarkt gewartet - da gab es keine Diskussion, wer nicht fährt, wartet dort, bis alle anderen da sind.

Bis Korbinian und Simon da sind, verbringen Janosch und ich bereits anderthalben unterhaltsame Stunden mit Steve und Libby Bodio, nehmen die Post in Empfang und schlürfen ein Bierchen. Dann sind auch Omar und Christine zu Hause und es ist sehr schön, sie wieder zu sehen.

Der Tag ist auch deshalb ein besonderer, weil Simon seinen 17. Geburtstag feiert. Neben einer Karte bekommt er reichlich Coladosen geschenkt. Außerdem gab es mittags vor dem Supermarkt Hähnchen mit Kartoffelchips und zum Nachtisch Eistorte. Abends kochen wir dann, wobei es ein munteres und wenig schmackhaftes Durcheinander gibt. Glücklicherweise backt Christine noch schnell einen Kuchen (Chocolate Fudge) backt und serviert ihn mit Vanilleeis.

Die Schüler verbringen auch einen Tag in der Schule. Omar unterrichtet dort seit 10 Jahren, herausragend ist sein Kurs in indianischer Geschichte und sein Gartenbauprojekt - es würde aber den Rahmen sprengen, dies hier genauer zu beschreiben. Witzigerweise gibt es an der Schule seit kurzem eine "Stempeluhr" - absolut "high tech", erst muss man einen Code eingeben, dann prüft ein Scanner die Fingerabdrücke und Handlinien!!!

Wir gönnen uns natürlich auch einen Ruhetag, grillen abends mit Omar und Christine: organisches Gemüse aus dem Schulgarten, dazu Elchrippen und Hirschbraten, natürlich von den beiden selbst in der Wildnis geschossen (ohne Hochstand, aber mit Hilfe eines Packpferdes abtransportiert). Veronika und Lisa können sehr gut reiten und nachdem Christine Gloria eine Einführung gibt, dürfen die drei auch schon alleine eine Tour machen. Gestern Abend wurde eine riesige Blechwanne (Durchmesser 2 m) mit Wasser gefüllt, durch ein Feuer erhitzt und wir saßen zusammen unter dem Sternenhimmel und haben die (partielle?) Mondfinsternis beobachtet.

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